Das indische Zwiebel-Szenario

 
 Es ist die zweite große Zwiebelernte in Folge und niemand weiß aktuell, wohin mit den Mengen an frischen Zwiebeln.  Offiziell heißt es, der  Preisverfall wäre nur durch die große Ernte hervorgerufen worden.  Aber das scheint nur ein Teil der Wahrheit. Denn der privilegierte indische Zwiebelhandel,  Eingriffe des Indischen Staates und Importzölle,  steuern die Preise für getrocknete Zwiebeln in Europa. Jetzt steht die nächste Ernte vor der Tür….. 

 
Könige des Zwiebelhandels

 
In Lasalgaon, dem größten Zwiebelmarkt Asiens, wird seit Februar jeden Tag die dreifache Menge an Zwiebeln angeliefert als normalerweise.   Aber wohin damit? Keine Lagerkapazitäten und eine Haltbarkeit von nur vier Wochen machen die Händler vor Ort zu Königen vor den Bauern: sie nutzen die Situation schamlos aus und offerieren gnadenlos niedrige Preise.

 

Zwiebelpreise im Jahres-Vergleich

 

„Nach der Dezemberernte ist so viel Bestand im Markt, dass wir ganze zwanzig Tage brauchen, um die Zwiebeln abzutransportieren – und jeden Tag  kommen neue Zwiebeln dazu!“ sagt ein Mitarbeiter des Marktes vor Ort. „Es brauchte vierzig Eisenbahnwaggons, um die Ware abzutransportieren – ganze 15 bis 18 sind den Bauern zuerkannt worden.“  Einige Farmer haben ihre Zwiebeln verbrannt, weil sie nicht mal mehr die Herstellungskosten wiederbekamen. Der Grund für die hohen Erntemengen: vorteilhafte Wetterverhältnisse und damit verbundene Produktivitätssteigerungen.

 

Frisch- Zwiebeln: Anbau und Produktivität

Zwiebelmarkt

 
Nach China ist Indien der zweitgrößte Produzent von frischen Zwiebeln: mehr als 20 Mio. mt werden pro Jahr geerntet und zwar hauptsächlich in Maharashtra (29%), Karnataka (15 %), Madhya Pradesh (13 %) und anderen Bundesländern im Westen von Indien.

 
Im Markt der dehydrierten Zwiebeln – global werden jährlich 300.000 mt gehandelt – hat Indien als zweitgrößter Anbieter einen Marktanteil von 20 %.

 
Grundsätzlich unterschieden werden die „roten“  und die“ weißen“ Zwiebeln. Werden die roten hauptsächlich frisch als Gemüse gegessen, gehen 80-86 % der  weißen Zwiebeln in die Trocknung und Verarbeitung als Zwiebelgewürz.

 

Der indische Zwiebelmarkt

 
Geerntet wird normalerweise zwischen September und Mai,   mit mindestens drei Ernte-Abschnitten   [1] pre-Kharif,  Kharif (Winterernte Dezember/Januar) und Rabi (Sommerernte: April/Mai).     Die Rabi Ernte im April macht 65 % der Gesamtmenge aus.    Damit gibt es drei Preisreaktionen: Winterernte im Dezember,  eine weitere bei der Rabi-Ernte im April und eine dritte im September/Oktober.

 

Indischer Zwiebelanbau/Regionen

 
Nach der Dezemberernte fallen die Preise, denn die Aprilernte ist bereits in Sicht.  Sechs der top zehn Zwiebelmärkte befinden sich in Maharashtra und Karnataka. Delhi, Gujarat und Rajastan haben jeder einen Markt. Mehr als die Hälfte der täglichen Zwiebelankünfte müssen durch einen dieser Märkte laufen – durch die Hände einer kleinen Gruppe sehr einflussreicher  Händler,  die die Preise steuern und beeinflussen. Oft bestehen verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Händlerfamilien. [1] Ein Kartell. Die  Händler  dealen untereinander und so kommt es vor, dass Händler aus Karnataka nach Maharashtra liefern.

 
Mit der Aprilernte  fangen die indischen Zwiebelhändler an, den Markt leer zu kaufen. Manchmal direkt, manchmal auch mit Hilfe von Mittelsmännern, die den Preis für die Bauern niedrig halten. Das Ziel ist es,  alles  was es gibt in ihren Lager- und Kühlhäusern für 3 bis 4 Monate zurückzuhalten. In dieser Zeit ist die Luftfeuchtigkeit so hoch, dass nicht verarbeitet werden kann. Trotz Kühlhaus: fast dreißig Prozent der Ware verdirbt in dieser Zeit.

Ist die Kühlsaison vorbei,  wird der Preis wieder bis zu 200 %   hochgefahren, denn   bis auf eine kleine Zwischenernte im September/Oktober (Pre-Kharif) gibt es keine nennenswerten Mengen mehr, die hereinkommen.

 
[1] https://qz.com/228874/the-solution-to-onion-price-inflation-is-right-before-our-eyes-hint-its-not-the-hoarders/

 
 
[1] http://www.business-standard.com/article/markets/onion-prices-crash-40-on-bumper-production-117022700636_1.html

 

 
Die besondere Bedeutung in Indien

 
In Indien werden Zwiebeln als Gemüse gegessen und sind aus der traditionellen Küche nicht wegzudenken. Neun bis zehn Kilogramm verzehren die Inder davon – jährlich. Und wenn die heimische Ernte nicht ausreicht, werden Zwiebeln sogar importiert. Oder die Exporte  müssen  gedrosselt werden. So geschehen 2010, als nach einer verheerenden Ernte von der indischen Regierung ein Export-Verbot ausgesprochen wurde.

 
Als Grundnahrungsmittel ist die Zwiebel ein Politikum, denn nach  indischem Verständnis, ist der Staat Garant für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung.  1998 wurde ein Misstrauensantrag gegen die  Regierung gestellt, weil sie nicht in der Lage war, die Zwiebelpreise zu kontrollieren.

 
Seit September 2013 ist die Verantwortung der indischen Regierung  im Food Security Act verankert. Mit diesem Gesetz erhielten 75 % der ländlichen und 50 % der städtischen Bevölkerung (800 Mio Menschen!) Anspruch auf Mindestversorgung. Das bezieht sich genau genommen auf Weizen und Reis, wird aber gern auf alle Grundnahrungsmittel bezogen.

 
Das Agriculture Produce Marketing Act (APMC) hat die Vermarktungswege für die Landwirte kanalisiert, die daraufhin  nur auf bestimmten Märkten oder bei Zwischenhändlern   ihre Waren absetzen durften – selbstverständlich gegen Gebühr!   Während diese Regelung eigentlich den (unbedarften) Landwirt schützen sollte, machte sie im Wesentlichen nur die Mittelsmänner reich. Die Liberalisierung dieses Gesetzes ist heute noch nicht in allen Bundesstaaten durchgesetzt worden. [1]

 
Der Zwiebelpreis ist auch ein ökonomischer Indikator, denn steigen die Zwiebelpreise, folgt automatisch eine Inflation.

 
Getrocknete Zwiebeln

 
Es gibt etwa fünfundsiebzig Zwiebel-Trocknungsfirmen in Indien – davon sind 65 in Mahuva Taluka im Bhavnagar-Distrikt (Gujarat) ansässig. Mahuva produziert 70 % der getrockneten indischen Zwiebeln. Und das vornehmlich mit der Winterware.

Während 2015 ungefähr 30.000 mt getrocknete Zwiebeln exportiert worden sind, sollen es 2016 etwa 50.000 mt gewesen sein. Wie viel es jetzt bei der nächsten Bumper Crop werden wird, steht noch in den Sternen.

 
Bei der Trocknung werden die Zwiebeln von 86 % auf 7% Feuchtigkeit gebracht, d.h. 1 kg Trockenzwiebeln wird aus über 10 kg Frischware hergestellt. Für 50.000 mt getrocknete Zwiebeln, werden 500.000 mt Frischzwiebeln gebraucht.

 
Die Dehydration Companies profitieren besonders von den gesunkenen Preisen der Rohwaren – besonders wenn sie vor der Kühlsaison verarbeitet werden. Ein Exporteur meinte hierzu: ,, Die Preise der Rohzwiebeln sind zu unseren Gunsten und haben uns geholfen, international wettbewerbsfähig zu sein.“[1]

 

Produktion von getrockneten Zwiebeln und Gesamtproduktion

 
Staatliche Regelungen

 
Nach indischem Verständnis ist der Staat Garant für die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung. Aus Angst vor Hungersnöten und Unruhen in der Bevölkerung hat die indische Regierung einige Instrumente geschaffen, wie  einen Preisstabilitätsfonds (PSF), (der zu einem festgelegten Preis Zwiebeln aufkauft und als Vorrat anlegt) oder einen Minimum Support Price (MSP) für Grundnahrungsmittel. Dabei wird die Ernte zu einem Mindeststützpreis durch die Zentralregierung oder Bundesstaaten aufgekauft, um Preise zu stabilisieren.    Aber noch gibt es den MSP nicht in allen Bundesstaaten und nur etwa 50 % der Landwirte können zum Stützpreis verkaufen.    [1] [2]

Landwirte, die nicht vom Stützungsprogramm profitieren, machen das, was alle machen: sie bauen Kulturen an, die wirtschaftlich rentabel erscheinen. Und weil das alle Bauern gleichzeitig machen, verblassen die vermeintlichen Preisvorteile wegen der plötzlich angebotenen großen Mengen auch gleich wieder bei der nächsten Ernte. Ersten Berichten zufolge wird nach der nächsten Zwiebelernte deshalb Knoblauch angebaut.

 
Fangen Sie besser noch nicht an zu rechnen!

 
Nutznießer der sinkenden Zwiebelpreise sind vor allem die indischen Händler, Verarbeiter und Exporteure. Sehr viel niedrigere Preise werden wir in Europa nicht mehr erwarten können. Denn Transport,  Importzölle und Wechselkurse werden den Zwiebelpreis auf einem ähnlichen Niveau wie bisher einpendeln lassen. Im nächsten Jahr wird es – unserer Einschätzung zufolge – dafür aber wieder sehr viel teurer: denn statt Zwiebeln wird es dann Knoblauch aus Indien geben!

[1] http://www.thehindu.com/news/national/karnataka/Mixed-response-to-announcement-of-minimum-support-price-for-onion/article16085798.ece

[2] Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, „Länderbericht Indien“ Stand Mai 2014, S. 13

[1] National Councel of Applied economic Research „Indian Onion Scenario“ , 2014

[1] http://www.business-standard.com/article/markets/falling-onion-prices-cheer-dehydration-industry-116101100414_1.html 13. Oktober

 

(Alle Angaben basieren auf eigenen Erfahrungen und Ansichten und sind ohne Obligo)